Nachdem der alte Tanker „Wissenschaftliche Buchgesellschaft“ im Herbst 2023 an den Klippen der Digitalisierung zerschellt war, drohte auch der Sobresaliente und Gentleman-Passagier Antonio Pigafetta im Strudel der Insolvenz unterzugehen. Was sehr schade gewesen wäre, hat der wackere Globetrotter doch eine Geschichte zu erzählen, die auch nach 500 Jahren nichts von ihrer Frische eingebüßt hat: seinen Bericht von der ersten Umsegelung der Erde 1519-1522.
Doch für alle Pigafetta-Fans und solche, die es noch werden wollen, gibt es gute Nachrichten: Wir konnten für Pigafetta eine neue Passage finden! Der Weltenbummler ist jetzt beim Verlag C.H. Beck an Bord gegangen, der seinen Bericht im Frühjahr 2025 wieder auf die Reise schicken wird. Das freut uns sehr, nicht zuletzt auch deshalb, weil dies die einzige vollständige und authentische deutsche Übersetzung von Pigafettas Reisebericht ist.
Dass die Pigafetta-Ausgabe der Edition Erdmann den Text mutwillig verfälscht, hat sich anscheinend nicht überall herumgesprochen. So bringt das Magazin REPORTAGEN vom Mai 2024 einen als „historische Reportage“ deklarierten Auszug aus der Erdmann-Ausgabe. Da liest man dann wieder Unsinn wie den, dass Magellan seine Truppen vor dem tödlichen Scharmützel auf Mactan mit dem Hinweis auf die kriegerischen Erfolge des Hernán Cortés in Yucatán angefeuert habe – von denen Magellan jedoch weder wusste noch wissen konnte.
Angeblich bringt dieses Magazin „True Stories“ unter die Leute. Die folgenden Behauptungen seiner Redaktion sind jedenfalls nicht in allen Teilen wahr: Magellan sei „1521 auf einen Archipel“ gestoßen: „die Philippinen – so von Magellan nach seinem Financier, dem spanischen König Philipp, benannt“ … Tatsächlich hießen Magellans Geldgeber Karl I. und Cristóbal de Haro, und die Inselgruppe, auf die er am 16. März 1521 stieß, nannte er „Archipel des Heiligen Lazarus“. Ihren Namen „Philippinen“ gab den Inseln gut zwanzig Jahre später Ruy López de Villalobos zu Ehren des damaligen Kronprinzen von Spanien, Philipp II.
Wer glaubt, dass historische Fakten von Bedeutung sind, wird sich daher mit uns freuen, dass Pigafettas Bericht bald wieder in einer wahrhaftigen Übersetzung erhältlich ist. Gut lesen lässt sich diese Übersetzung übrigens auch: Das bezeugen nicht nur viele zufriedene Leser:innen, sondern auch Radio- und Fernsehproduktionen, die sie verwenden.
Eigenes Gemüse zu ziehen, ist ein Sehnsuchtsort vieler Menschen. Die Hände im Humus, den sorgenden Blick zarten Pflänzchen zugewandt, suchen sie nach ihrem beim Geldverdienen abhanden gekommenen inneren Selbst. Und dann wollen sie die Früchte genießen, die Mutter Natur freigiebig denen schenkt, die im Einklang mit ihr tätig sind.
Auch ich habe über Jahrzehnte versucht, dieses grüne Utopia in unserem Garten zu verwirklichen, dafür viel Zeit investiert – und nicht wenig Geld, denn die Produktpalette, die Baumärkte und Discounter für den biologischen Privatanbau anbieten, ist groß. Je größer aber das Investment, desto ärgerlicher natürlich, wenn man um den Ertrag seiner Mühen gebracht wird durch Mitesser, die selbst nicht säen, jedoch umso eifriger ernten. So wie die Nacktschnecken, die (angeblich aus Spanien) ihren Weg auch in unseren Garten gefunden haben.
Dass Arion vulgaris sich bei uns so wohlfühlt, ist einerseits der Lage unseres Gartens am feuchten Grund nahe eines Baches und in der schattigen Nachbarschaft alter Bäume geschuldet. Aber ich leiste seinem evolutionären Erfolg, fürchte ich, noch Vorschub mit meiner liberalen Einstellung gegenüber allem, was wächst. In unserem Garten herrscht ordentlich Wildwuchs, in dem nicht nur das Unkraut, sondern auch die Nacktschnecken gedeihen.
Nun stößt aber naturgemäß jedes „Leben und leben lassen“ da an Grenzen, wo die anderen das Eigene nicht leben lassen – und sei es auch, wie in diesem Fall, nicht das eigene Leben, sondern nur das eigener Gemüsekulturen, auf die sich die unersättlichen Bauchfüßer mit Vorliebe stürzen, solange sie noch jung sind, um sie rest- und rücksichtslos zu vertilgen.
Ob Spinat oder Salat, Erdbeeren oder Erbsen, Kürbis- oder Gurkensetzlinge, Tomaten, Bohnen, ja sogar über Chili- und Kartoffelpflanzen machen sie sich her und lassen von ihnen nichts übrig als glänzende Schleimspuren am Boden.
Wer lässt sich so etwas schon gern gefallen?
Also bin ich zur Bekämpfung der Nacktschnecken aus-, bin ihnen mit Bierfallen und Schneckenkorn zu Leibe gerückt, habe sie wochenlang Abend für Abend im Licht der Stirnlampe eingesammelt, oft genug von Mücken gepeinigt, nicht selten im strömenden Regen, habe alles ausprobiert, die Schädlinge unschädlich zu machen: sie entzwei geschnitten, mit kochendem Wasser übergossen, ins Lagerfeuer geworfen, in Marmeladengläser gefüllt und in der Sonne stehen gelassen, bis sie sich zu einem stinkenden Sud zersetzt hatten … Auch habe ich Eierschalen und Lavagranulat ausgestreut, Schneckenzäune und Hochbeete errichtet in der Hoffnung, die lusitanischen Leckermäuler von meinen Kulturen fernzuhalten, und endlich, des ewigen Kampfes und Tötens müde, sogar Indische Laufenten angeschafft, von denen man sagt, sie seien die größten Fressfeinde der Nacktschnecken.
Doch obwohl wir zeitweilig zehn solcher Enten im Garten hielten, wurden auch sie der Plage nicht Herr, denn so eine Ente frisst vielleicht ein Dutzend Schnecken am Tag (nebst Spinat, Salat und anderen Dingen), im späten Frühjahr jedoch, zur Anbauzeit, fallen die gierigen Gastropoden in Heerscharen zu Tausenden und Abertausenden über unseren Garten her, tummeln sich auf dem Rasen, den Wegen, Komposthaufen und Beeten, kriechen in den Nächten, wenn es abkühlt, die noch warme Hauswand hinauf, ihren Kot hinterlassend, und überziehen die Fenster mit sich kreuzenden Schleimspuren, sodass wir uns zeitweilig wie unter Belagerung fühlen.
Gegen eine solche Invasion können auch ein paar Laufenten nichts ausrichten, und so haben wir, nachdem eines dämmrigen Novembernachmittags mutmaßlich ein Fuchs drei unserer damals noch vier Enten gerissen hatte, die Hinterbliebene einer Nachbarin geschenkt und uns keine neuen mehr angeschafft.
Heute bin ich frei.
Eines Abends, als ich wieder einmal über meinen Beeten hockte, Schnecken einsammelte und sie – weil ich sie schon lange nicht mehr töten mag – kurzerhand über den Zaun auf den brachliegenden Acker nebenan warf, im Wissen, dass die Schnecken von dort wieder in unseren Garten kriechen würden, sodass es eigentlich ein sinnloses Unterfangen war, sie dorthin zu werfen, aber ich dachte, auf diese Weise gewönnen meine Pflänzchen etwas Zeit, die ihnen – oder wenigstens einigen von ihnen – vielleicht so gerade eben erlauben würde, über die kritische Phase des Keimens hinauszuwachsen – während ich also dort hockte und Nacktschnecken aufklaubte, erkannte ich, dass diese schleimigen Tiere nicht viel anders sind als wir Menschen, oder besser gesagt: wir Menschen nicht anders als sie.
Auch wir fallen über diesen Planeten her, haben keine Fressfeinde mehr, sind unersättlich, wollen immer nur das Beste für uns, und der ökologische Fußabdruck, den wir hinterlassen, ist noch viel schlimmer als die Schleimspuren der Bauchfüßer.
Ich erkannte: Die Nacktschnecke ist unser Alter Ego und sie ist unsere Nemesis. Und in dem Augenblick beschloss ich aufzugeben, den Gemüseanbau für immer sein und den Garten den Schnecken zu überlassen. Seither geht es mir besser. Seither bin ich mit der Natur versöhnt, und mein Gemüse kaufe ich im Supermarkt.
„Am Land geht es nicht ohne Auto“, heißt es oft. Sagen wir mal so: Es ginge schon, jedenfalls wenn man wie wir in einem Ort wohnt, wo einmal in der Stunde die Schnellbahn hält. Aber man müsste sein Leben natürlich ganz anders organisieren und für viele Wege, Einkäufe, Arztbesuche, Familienausflüge usw. deutlich mehr Zeit einplanen, die einem dann wohl für andere Dinge abgehen würde. Darum haben auch wir ein Auto.
Was bei solchen Aussagen gern unter den Tisch fällt: Auch am Land kann man ein Auto so oder so nutzen. Man kann sein Auto etwa für kürzere Wege stehen lassen und stattdessen aufs Rad steigen oder, um die Kinder von der Musikschule oder vom Sport abzuholen, Fahrgemeinschaften bilden und natürlich versuchen, umweltschonender zu fahren, das heißt langsamer.
Um es gleich zu sagen: In unserem ländlichen Umfeld sind solche Verhaltensweisen ein Minderheitenprogramm.
Oder wie mein Großvater es ausgedrückt hätte: „Geht nicht heißt will ich nicht.“
Wie gesagt, auch wir haben ein Auto. Beziehungsweise, zur Zeit haben wir keines mehr, weil ein Marder sich im Motorraum ausgetobt und unter anderem – unser Auto ist ein Hybrid – das Hochvoltkabel zerbissen hat, das die Batterie mit dem Motor verbindet. Dieses Kabel zu ersetzen, kostet nicht nur eine mittlere vierstellige Summe, sondern es braucht auch fünf bis sechs Wochen, es zu liefern, sagt unsere Autowerkstatt. Das gibt uns jetzt reichlich Gelegenheit, die obige Aussage – „Ohne Auto geht es nicht.“ – auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen.
Derartige Angriffe auf unseren Lebensstil sind natürlich nicht geeignet, unsere positive Einstellung zur Natur zu fördern – abgesehen davon, dass sie geradezu nach Verschwörungstheorien schreien!
Mein erster Gedanke war, dass militante Klimaschützer den Marder abgerichtet haben müssen, um möglichst viele Autos aus dem Verkehr zu ziehen. Aber hätte der vierbeinige Kabelterrorist dann nicht eher die SUVs, Pickups und vorsintflutlichen Stinkediesel attackieren sollen, die zahlreich in unserer Nachbarschaft herumstehen, und nicht unseren vergleichsweise sparsamen Hybrid?
Doch dann ging mir ein Licht auf: Nicht die Klimaschützer hatten den Marder abgerichtet und auf Hybridkabeljagd geschickt, sondern dahinter muss die Verbrenner-Lobby stecken, wahrscheinlich im Verein mit den Geheimdiensten erdölfördernder Schurkenstaaten. Sie senden jetzt sogar Tiere aus, um gezielt Hybrid- und Elektroautos zu attackieren, damit die Besitzer:innen wieder auf reine Verbrenner umsteigen. Was für eine perfide Strategie!